Windschiefe Zähne in einer Visage aus festem Zement. Auf der schwärzlich getoasteten Mischbrot-Scheibe türmte sich zuckersüße Erdbeermarmelade. Ein zweiter Aufguss dünnen Kaffees drehte sich noch in der geblümten Sammeltasse. Peter klaubte mit seinen groben und viel zu groß geratenen Fingern eine Schmerztablette von der matt gestreiften Igelit-Tischdecke. Sein kantiger Schädel brummte, eine seitlich gelagerte Ader tat sich an der Schläfe besonders hervor. Der Mund sperrte sich auf, schlang nacheinander die Pille, den Kaffee und malmte schließlich die angekohlte Schnitte. Langsam drehte sich sein Kopf zum Fenster hin, seit Jahren ungeöffnet und verdreckt vom Staub der Zeit. Unbescholten schickte die Sonne ihr strahlendes Ich ins innere des Zimmers. Im Lichtkegel drehten sich wie schwerelos kleinste Partikel, abertausende Winzlinge feinster Elemente ... Peter hauchte leicht in ihre friedliche Mitte hinein und sorgte nur allein damit schon für eine furchtbare Unruhe. So einfach war also alles außer Kontrolle zu bringen.
Sonntag, 3. August 2025
MANN AUS DEM MEER.
Die "Zeit" wurde mit weichen und stark rußenden Kohlestiften skizziert, der Künstler Matthias aus Elbingerrode machte sich an diesem Thema zu schaffen. Ob nun Endlichkeit oder das Gegenteil davon, sei inhaltlich einmal völlig außen vor gelassen - der fast achtzigjährige studierte Maler und Grafiker konzentrierte sich in der ersten Phase seines Schaffens vor allem auf Linien, lauter unter heftigem Druck ausgepresste Geraden. Dabei brach ihm immer wieder die schwarze Zeichenkohle weg, unterbrach den Malfluss, krümelte und verschmierte jede aufkommende Harmonie. Die großflächigen Pappen sahen seltsam verwüstet aus ... einerseits der Versuch von Struktur, anderseits unsauberes Chaos. Käufer fanden sich für die Werke nicht. Kunst ist auch immer Mühsal und gnadenlos - sie unterwirft sich keinem Zwang und schon gar keinem System zum Überleben. Matthias begann noch großflächiger mit seinen dunklen Zeitlinien zu arbeiten und bezog Mauern, Asphalt, Fassaden oder LKW-Planen mit ein. Er breitete sich aus - völlig losgelöst von schablonenhaften Zwängen nutze er dazu auch die Kraft von kochendem Teer. Die Deckkraft, der einmalige Farbauftrag begeisterte ihn.
Jetzt wo wieder und wieder alles zu blühen drohte, begab sich Ruth Wansleben in ihren aufwendig ausgebauten Keller. Vor dem UV geschützt und vor all zu aufdringlichen Farben in Sicherheit knipste sie ihren Schwarz-Weiß-Fernseher an und verfiel in eine jämmerliche Trägheit. Nur noch selten ging sie jetzt nach oben. Ruth versank in einem riesigen Ohrensessel und gabelte sich Pfirsichhälften aus einer Konservendose. Die wöchentlich ausgestrahlte Serie mit dem Mann und seinen Schwimmhäuten zwischen den Fingern, zog sie ganz in ihren Bann. Sie konnte mitfühlen, sein Leid teilen - und darauf kam es ihr generell im Leben an. Hier unten fühlte sie sich der amerikanischen Story ganz besonders nah, spürte die Bedürfnisse vom „Mann aus dem Meer“ in einer starken Leibhaftigkeit. In ihrer innerlichen Ruhe verheddert, schlief sie plötzlich ein, verpasste das Abtauchen, die Flucht vor den Gewissheiten der Forscher. In einem tranigem Traum warf Ruth Wansleben überlebensgroße Dominosteine um. Feiner, durchsichtig schimmernder Sabber verließ ihre schlaffen Mundwinkel, aus der schräg gehaltenen Dose troff sämig die gezuckerte Flüssigkeit. Was sie alles verpasste!
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