Samstag, 9. August 2025

KURVE.



Da hacke ich nun das gute Holz ... und die frisch gespaltenen Scheite fliegen mir nur so um die bläulichen gefrorenen Ohren ... alle Muskeln sind ordentlich angespannt ... der angestrengte Kopf frei von jeglicher Last ... außerhalb der Schieflage ... dringt der Stahl ein ums andere Mal hinein in die festen Fasern ...zerhaut jegliche Abwehrversuche ... schneidet und keilt sich hinein in das Fleisch der Natur.

Die Tage erscheinen und verschwinden plötzlichen wie kleine feine Sätze, gesagt, getan, vergessen. Vielleicht möchten sie das nicht hören geschweige denn wahrnehmen, aber ich wiederhole es dennoch wie einen geölten Psalm: Nichts wird bleiben und so sein wie es gerade ist! Verstehen sie das doch bitte endlich einmal! Daran zu denken oder überhaupt eine Ahnung darüber zu entwickeln, fällt allerdings den meisten Menschen sehr schwer. Das Geheule ist dann jedenfalls immer groß.

Mein Freund Peter beispielsweise hat so gar nichts zu verlieren. Er ist ein selbstbewusster, geradlinig denkender Patron - mit beiden Beinen gut verbunden auf des Mutters Erde. Manchmal glaube ich, das er in einem fort schläft. Auf diese Weise schenkt er dem Dasein nicht so viel Aufmerksamkeit und probt unbewusst für den Verfall danach. Peter macht das schon irgendwie alles richtig. Er ist da unbedarft wie ein tapsiger Vogel oder ein stummer Baum. Hat sich nie etwas genommen und wird auch nichts verlieren müssen.

Jetzt stapele ich die Stücken von Buche, Kiefer und Birke. Mit gewissenhafter Pedanterie puzzle und verkante ich die Scheite, bis eine kleine Mauer aus Holz entsteht. Das hat eine tiefe meditative Wirkung auf meinen wirren Kopf ... dazu der schneidende Wind, die einsetzende Dämmerung und steife Fingerkuppen - all das gibt mir das Gefühl real zu sein. Die Wirklichkeit wird anderen zum Verhängnis ...

Peter kocht sich drei Eier. Bei ihm muss immer alles ungerade sein. Er schneidet sich auch nur an neun Fingern die Nägel oder hat auch nur einen Schuh beim Laufen an. Manchmal liegen in seinem Bett fünf Frauen. Er ist ein klein wenig verrückt, glauben sie mir. Trotzdem wär ich öfter gern wie er - so locker und ohne einen einzigen, verschwendeten Gedanken. Mit seinem dritten Auge studiert er stundenlang glänzende Schmuddelhefte ohne dabei rot zu werden.

Gott sei Dank habe ich inhaltlich die Kurve gut genommen, bin weg von den düsteren Prophezeiungen und traurigen Blicken in die Zukunft. Mit meinem krummen Zeigefinger lassen sich ganz gut die Gewürzgurken aus dem Glas angeln. Das belegte Brot wartet geduldig auf dem etwas verkohltem Holzbrett. Im Kamin berstet die Feuerung mit einem Hagel von glimmenden Funken, stiebt wütend gegen die Schlackewand und wirkt am Ende doch immer wie der ewige Verlierer.

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