Spielerisch, fast tänzelnd dreht, wendet, schwingt und schiebt sich die MARLBORO zwischen dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger hin und her. Die gealterte Hand hat darin reichlich Übung - routiniert ergeben sich verschiedenste Stellungswechsel und geradezu lieblich kräuselt sich der würzige Tabakrauch durch jeden sich bietenden Zwischenraum. Der Geruch von verbranntem Zucker, trockener Steppe sowie des angebauten Krautes schwebt durch die Lüfte und macht sich nach aufwendigen Umdrehungen schließlich gänzlich aus dem Staub.
Sorgfältig wie sparsam saugt Peter jeden Millimeter der Zigarette in sich ein, touchiert dabei den orangefarbenen Filter, kohlt ihn sogar leicht an - inhaliert, schluckt und pustet - schnippt schließlich den synthetischen Rest mit einer einzigartigen Technik meterweit in die Gosse. Das Prozedere ist reine Routine und dennoch von einer seltsam anmutenden Ästhetik. Jeder kleine Junge möchte einmal genau so seine erste Kippe fachmännisch und beiläufig zugleich entsorgen.
Peter rotzt die kurz und schmerzlos hochgezogene Aule wie ein gefährliches Geschoss zur Seite weg. Dann zieht er nochmals durch die aufgeblähten Nasenflügel kraftvoll hoch und schluckt die Reste schließlich einfach runter. Danach riecht er an seinen groben, leicht gekrümmten Händen, fährt sich beidseitig über den Kopf und schiebt schließlich beide Pranken in seine angerissenen Hosentaschen. Mit dem Innenfutter der Jeans reibt er sich den Schritt und blickt sich unbefangen um.
Die Schachtel Zigaretten hat eine sehr schöne feste Form. Akkurat stapeln sich darin schöne lange Stängel, fest gestopft und voller besonderer Aromen. Der allererste Zug an einer frisch entnommenen Marlboro erfüllt Peter mit den größten Glücksgefühlen. Es ist auch immer sein tiefster Zug ... und nur wenig schenken seine Lungen wieder her. Leichter Schauer befällt ihn, seltsamer Schwindel und unendliche Entspannung sorgt für ein winzig kleines Lächeln in seinem faltigen Gesicht.
Schon wieder dreht sich eine kleine, feine weiße Walze in der Rechten. Gräulicher Qualm steht unentschlossen in der Luft - und während die Sonne so ganz allmählich untergehen mag, hört Peter in der Ferne den Hufschlag junger, wilder Mustangs. Vorsichtig kneift er beide Augen zusammen, blinzelt verschmitzt ins gedämpfte Licht und entdeckt zwischen brennenden Farben den Schimmer eines glitzernden Sees. Ein Lagerfeuer spuckt die letzten Funken. Die Welt ist ein einziger Ort der Harmonie.
Peter wechselt regelmäßig die Hersteller seiner Stängel. Jede Marke erzählt ihm irgendeine Geschichte - die Botschaft von Abenteuer und Freiheit hat ihn seit jeher verführt und auch glücklich gemacht. Den traurigen Rest kennt er, nimmt ihn in Kauf wie einen Absturz im Urlaubsflieger. Jeder krepiert auf seine Weise - aber bis dahin möchte er ein Lasso wie wild über seinem Kopf schwingen! Das Feuerwasser im kleinen kristallenem Kelch blinkt und bittet um seine Aufmerksamkeit. Er kramt sich was zum Rauchen raus und kennt den Weg.
In den langen, tiefen, schwarzen Nächten tastet sich Peter tollpatschig durchs schiefe Treppenhaus. Seine hellblaue Schlafanzughose hat einen porösen Bund und rutscht immer wieder unter die Wölbung seines Hinterns. Im Tiefkühlfach sind mehrere Bierflaschen vergessen und schließlich explodiert. Ein Sektkorken detoniert und sprengt quer durch den kalten einsamen Flur, kullert schließlich unter schwere Vorhänge und kommt zur Ruhe. In der Stille zündet das Hölzchen. Gelbliche Finger führen das kleine Glück zum Mund.
Peters Leben hat gut und gern sechzig Jahre zur Seite gelegt. Stringent abgerissen in einer dampfenden Chemiefabrik, zwischen schwankenden Häuserzeilen, über den ungezählten Tellern mit Mostrich und Frikadelle, hinter zementierten Gittern, unter der Last einer übergewichtigen Freundin und im wöchentlichen Wahn eines kommenden Jackpots. Fade und schleierhaft in der Schräge zum Stehen gekommen.
Angezogene Beine unter der steifen Bettdecke, ein Feixen über sehr erfolgreiche vertonte Furze, der Wurf des Latschen nach dem Geräusch einer Maus - der Abend in einer kalten Kammer entpuppt sich Tag für Tag als ein unbesuchtes Musical. Seine Finger stinken unnatürlich süßlich und verbraucht. Peter wühlt sich in seine drei Kissen und formuliert ein Gnadengesuch an den Schlaf. Mühselig nestelt und fischt er sich eine gekrümmte Fluppe aus dem Ascher neben der Matratze. Jetzt gibt ihm der Mond das nötige Feuer und unter dem Kreischen von schwangeren Dämonen entlässt er seinen Korpus dem bestialischen Gestank der Einsamkeit.
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