Samstag, 6. September 2025

MORD IN RIO



Mit einem alten stumpfen und rostigen Löffel also ... kein geschmeidiges, handliches, ultrascharfes Langmesser aus einer edlen Schmiede - dieser Tod wollte kein Mitleid mit dem Wahl der Mittel. Der Kommissar hatte sich schon lange nicht mehr gewaschen und zwischen seinem schwärzlichen Brusthaar moderte bereits ein getupfter rosa Hautpilz. Es juckte ihn furchtbar da und dort - vor allem aber unterhalb des zu kurz geratenen Halses. Er grübelte über seine letzten Wetteinsätze, ging die ganzen Systeme durch, verwarf bereits getroffene Entscheidungen und setzte auf neue Nummern und Zahlen.

Der Löffel stak völlig verbogen in der Decke des eingedrückten Schädels. Rio war ein Rattennest mit grellen Bikinis und viel zu viel gezeigtem, braun gebranntem Fleisch. Die Mittagshitze würgte den Kommissar, der muchtende Schweiß perlte sich zwischen aufgekratzten Malen auf der dünnen Haut. Heimlich langte seine Hand in die linke Manteltasche und nestelte einen silbernen, frisch aufgefüllten Flachmann heraus. Er nahm die brennende Flüssigkeit in einem Zug, verzog kurz zuckend sein Gesicht und tat dann als wäre nichts geschehen. Jeder wusste woran man war.

Rio hielt den Kommissar auf Trab, Rio war eben Rio - eine Dirne im ewigen Dienst, ansehnlich und abstoßend zugleich. Es genügte ein genauer Blick auf die Details. Um Wesentliches ging es auch bei der Leiche - vor allem deren Identität. Beim näheren Betrachten lag da weder Kind noch Mann, weder Frau noch Greis. Der eingerammte Löffel schien nicht nur den Kopf sondern auch den gesamten Bau des Körpers verändert zu haben. Ein seltsamer Anblick, verwirrend ulkig und der Kommissar verhustete sich ein schäbiges Lachen. Er hatte genug gesehen und ermittelt. Der Tod hatte für ihn etwas Pragmatisches und in jeder Tragik lag ein gewisser Witz.

Am Abend klebte das steif gewordene Hemd nur noch wenig, aufkommender Wind und kühlere Temperaturen hatten es etwas trocknen lassen. Der Kommissar erhielt einen wichtigen Anruf den er nicht annahm. Er wollte etwas essen und danach ein wenig schlafen. Rio erlaubte keinerlei Ruhe - aber er stand über den Dingen und zog sich säuberlich eine Linie aus weißlichem Pulver. Eine angebrochene Wasserflasche kullerte unter das Sofa und unterhalb seiner Mansarde kippte eine schwächliche Straßentaube vornüber.

Der Mord wurde innerhalb von 48 Stunden zu den Akten gelegt. Ein Transvestit hatte im Überschwang seiner verletzten Gefühle die Konkurrenz eliminiert und gerade nichts besseres zur Hand, als einen alten vergammelten Kokslöffel. Manche Geschichten sind nicht traurig oder in sonst einer Art bewegend - für den Kommissar war diese einfach keinerlei Erwähnung wert. Er rollte die Dokumente zu einem festen Schlaginstrument und jagte die fetten Fliegen in ihren bunten schillernden Kostümen durch das vernebelte Büro.
Er hatte ein Motiv. Es war Hass und damit Mord. Ein Mord in Rio.

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