Das Schicksal erklärt sich nicht. Es langt einfach nur gierig über den Tisch, fragt nicht und nimmt sich einfach. Ein unverschämtes Benehmen.
Guten Tag. Bitte ziehen sie sich eine Nummer und nehmen dann erst einmal Platz. Sie werden aufgerufen. Das ist doch immer so.
Das Wartezimmer riecht frisch gebohnert. An den Wänden hängen schrille Gemälde eines Provinzmalers. Leuchtendes Grün dominiert.
Illustrierte verteilen sich kreuz und quer auf einem Glastisch. Irgendeine Adlige kämpft gegen den Krebs. Und ein Sänger trennt sich nach 20 Jahren von seiner Frau.
In einer Ecke des Raumes liegt eine längst vergessene Erdnuss. Es haftet eine Staubflocke auf ihr. Das Gefühl für die Zeit verhält sich selbstherrlich.
Vor der 46 kommt die 45. Jetzt darf Nummer 38 in das Behandlungszimmer. Ein Unterhemd gleitet lautlos auf den bereit stehenden Stuhl.
> Mohn an Fabrik < lautet die Bildunterschrift. Mein Blick ärgert sich an dem veranstalteten Chaos. Der Kleinstkünstler scheint mir zu Eitel im Umgang mit seinem Schaffen.
Vor mir nimmt Nummer 47 Platz. Sie hat eine weit geöffnete Bluse an. Es ist schwer daran vorbei zu schauen. Am Fenster baumelt Dekoration aus vergilbtem Papier.
Zwischen den Stühlen haften Diagnosen. Umständlich oder direkt formulierte Botschaften von Arzt zu Opfer. Nie anders herum. Realität ist schwarz und weiß.
Bin dran. Nackt zittert sich mein Körper in eine kindliche Unschuld. Wenn das Beten und Hoffen sich nur lohnte! Kaltes Metall fährt über mich hinweg.
Sagen sie nichts! Sagen sie bitte, bitte Nichts. Der Nächste bitte. Legen sie sich schon einmal hier auf die frisch desinfizierte Liege. Der Doktor kommt gleich.
Draußen vergesse ich die Gleise. Vergesse die Linie 3 in Richtung Stadtmitte. Es schrillt ein Signal. Bremsvorgang, Gepolter und Geschrei. Dann wird es plötzlich grell hell.
Gott legt seine sehr schwere Hand auf meine schmächtige Schulter, sieht mich aus liebevollen Augen an. Er liebt mich. Das Bett soll frisch bezogen worden sein.
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