Donnerstag, 31. Juli 2025

BISCHOFSPLATZ.



Der Peter hat einmal mutwillig eine Schallplatte zerbrochen. Er war sehr erbost über einen miserablen Song darauf. Kurzerhand nahm er das schwarz glänzende Vinyl und teilte es wie eine Oblate. Der gleiche Mann (Peter) hatte auch ein wunderschönes Liebeslied komponiert. Für seine leider viel zu früh verstorbene Großmutter. Ihre gruseligen Geschichten und dampfenden Klopse waren sagenhaft - und darum geht es auch inhaltlich in dem Stück. Peter ist ein sehr emotionaler Mensch. Er trägt sein feines Herz auf der Zunge. Eines schönen Tages ist der Gute mal zu seinem Chef ins Büro und hat dort aus seinem wechselhaftem Leben erzählt. Eine gute Stunde lang, einfach so. Daraufhin wurde gemeinsam ein Weinbrand getrunken. Jeder ist ein Mensch (eine ganze Flasche!).

Es ist Ende Mai und aus der Ferne weht der nächste Monat heran. Die Zeit ist für Peter nur eine üble Erfindung der Trübsal. Kein Wert ist von Dauer. Alles wird einmal verblassen und schließlich vergessen. Eine Sanduhr braucht es dafür nicht noch extra. Wir fühlen es doch schließlich deutlich genug. Als die Großmutter starb, redete Peter einfach weiter mit ihr. Aber das wurde weniger - und auch die Gedanken waren eines Tages auf der leisen Flucht. Dafür hockte ganz tief in seinem Herzen ein unverrückbares Gefühl - die Liebe. Letztere hatte sich für immer bei ihm eingenistet. Weitergeben ließ sich dieser Schatz jedoch leider nicht. Er blieb exklusiv.

Vor vielen Jahren traf ich den Peter einmal am Bischofsplatz. Damals verkehrten noch die letzten Dampflokomotiven und verschmutzen selbstherrlich die Luft, die Häuser und schließlich auch alle rosafarbenen Lungen der Neugeborenen. Viele der Kinder litten unter schrecklichen Atemwegserkrankungen - gerade hier, wo sich so viele Gleise kreuzten.
Er stand da am Bahnsteig und sortierte mit seinen Füßen kleine Kieselsteine. Hin und wieder schaute er auf und prüfte seine unmittelbare Umgebung. Tief versunken in seiner Gedankenwelt, vielleicht auch melancholisch oder gar traurig gestimmt - das war nicht eindeutig abzulesen. Als er mich flüchtig wahrnahm, lief er betont unauffällig davon und tat als wäre das ganz ohne Absicht.

Dafür liebte ich ihn - er war wie ich.

Sonntag, 27. Juli 2025

INNERE MEDIZIN.



Der Internist Dr. Faustinus Brisak kümmerte sich tagein und tagaus um die inneren Beschaffenheiten des menschlichen Körpers. Man nannte ihn unter der Hand respektvoll den „Wühler“ oder „Pfadfinder“ - saß in seinem gelblich lasierten Warteraum oft mehrere Stunden inmitten von Menschentrauben und fieberte freudig erregt seiner Behandlung entgegen. Dieser Arzt, ein langer Schlacks mit schneeweißem Haar und Händen aus Gold, sorgte stets für entspannte Gesichter. Jede noch so große Furcht erregende Diagnose verpackte der Spezialist in salbende Worte - wog seine Patienten in einer Art himmlischen Schaukel und erklärte all den Trost mit den göttlichen Fügungen und der irdischen Beschaffenheit von Endlichkeit. Er ließ die Traurigen weinen, beließ sie in seinen Räumlichkeiten, anstatt sie mit bitter schmeckenden Diagnosen auf die laute Straße hinaus zu stoßen. In Nebenzimmern kümmerten sich ziemlich beste Psychologen um die erregten Gemüter, es gab feinsten Kaffee und köstlichsten Kuchen - und die Hoffnung auf alles Gute für verbleibende Zeiten.

Die Glücklichen ließ er in der Stille ihre Freude auskosten - diskret und ohne die berühmten Freudensprünge. Alle sollten sich miteinander vermengen - wie die Zutaten für den besten Teig der Welt. Niemand würde mit seinem Gefühl, welcher Art auch immer, allein gelassen - keiner sollte vor sich selbst fliehen können und in der Einsamkeit seiner Verzweiflung oder unendlichen Freude den Nebenmann vergessen.

Herr Dr. Faustinus Brisak füllte die Herzen wie mit „warmen Bourbon-Vanillepudding“. Seine heimelige Praxis befand sich in einem alten Schloss voller positiver Energiefelder. Die Räumlichkeiten glichen Spielzimmern und waren aufregend wie kunterbunte Casinos. Er verteilte Räusche jeglicher Art - Ablenkungsmanöver und optische Täuschungen. Es gab Spiegelkabinette und eine kleine Gespensterbahn im Kellergeschoss. In seinem Behandlungszimmer tänzelnden reife, halbnackte Helferinnen auf mächtigen Stöckelschuhen herum - je nach Bedarf aber auch knackig muskulöse Mannsbilder in knappen Tangaslips und Leopardenmuster. Jeder wähnte sich in einem selten gewordenen Traum, in einer Blase voller Wunder und Sonnen. Hier ein letzter Wunsch, dort ein offenes Wort ... keinerlei Neid oder Gehässigkeit, kein Kummer und schon gar keine Verzweiflung - der Doktor hatte alles Negative unter seiner Kontrolle und erstickte das Böse im Würgegriff seines wunderbaren Herzens.

(Nachwort: Dr. Faustinus Brisak war leider auch ein Wirrkopf und Chaot. Allzu oft verwechselte er die Akten seiner Patienten, mischte diese wie Patiencen oder verlegte wichtige Befunde. So kam es oft zum Tausch der verschiedensten Schicksale - oft überraschten sich plötzliche Tode mit seltsamen Wundern. Das geplante Denkmal wurde leider nie errichtet.)

Freitag, 25. Juli 2025

LUISA.



Luisa lag malade am glühend heißen Strand auf brennend weißem Sand. Mit ihren ultralangen Fingernägeln pickte sie auf das gläserne Display ihres Funktelefons und musste sich furchtbar anstrengen die Kontraste der Bilder überhaupt noch erkennen zu können - zu grell reflektierte das Licht der Sonne. Der ganze weite Himmel zeigte einen hauchzarten Verlauf von sehr hellem zu weniger hellem Azurblau auf - es gab in diesem Augenblick nichts was der Hitze etwas entgegenzusetzen hatte.

Luisa sah sich lauter gut gebaute Boys an. Sie wischte einen nach dem anderem lustlos weg - ein stoischer Vorgang der jegliche Sinnhaftigkeit vermissen ließ. Die Jungs auf der Börse sahen alle gleich aus, schnitten die selben überheblichen Fratzen und boten sich mit verwegenen Texten als besonders begehrenswert an. Auch hier Gleichklang - in der Sprache und das fand Luisa alles öde und einfallslos. Mit dem rechten Zeigefinger kratzte sie sich vorsichtig einen kleinen Mitesser auf der linken Schulter auf - mit XXL-Gel-Nägeln ging das sehr leicht und unkompliziert.

Luisa starrte irgendwann gelangweilt auf das nur leicht bewegte Wasser hinaus. Ein dummer Bruder drückte seine bedauernswerte kleine Schwester unter Wasser und rief dabei stolz nach den Eltern. Der gesamte Strand wirkte wie erstarrt in einer Art Stumpfsinn und als das Mädchen brüllend wieder nach Luft schnappen konnte, bewegte sich die hohle Masse nur punktuell und erschreckend unaufgeregt. Die Temperatur erreichte langsam und sich ereifernd den Höhepunkt des Tages.

Luisa verspürte leisen Hunger nach Frittiertem - durchdachte die Wege zu KFC, MC Donalds und Bürger King. Zerlaufener Cheddar kam ihr in den Sinn, cremige Shakes sowie zuckersüße Cookies. Die zarten Mundwinkel begannen glasklaren Speichel zu sammeln. Wie in eine unentdeckte Höhle bohrte sich schließlich einer ihrer Finger in das rechte Ohr, grub darin herum und wurde dann mitsamt den Bodenschätzen einem grellen Licht zugeführt. Sie schnippte ein kleines gelbes Kügelchen gekonnt in die Glut des weißen Sandes.

Luisa langweilte sich schrecklich. Ihre braungebrannten Eltern dösten oder rammelten noch im Hotelzimmer. Neben ungemachten Betten lagerten Tangas, Schokoladenpapier, Ladekabel, leere Sektfläschchen und Lesebrillen. Sie empfand diesen Urlaub als etwas Unnötiges und beklagte das Leiden in den Weiten ihrer digitalen Bekanntschaften. Die planschenden Kinder störten mit ihrem hysterischem Gekreische und den klatschenden Geräuschen. Notgeile Mannsbilder schwenkten ihre aufdringlichen Blicke unablässig über die Oberflächenstruktur braungebrannter Weiblichkeit. Ätzend.

Luisa fielen langsam die Augen zu. Hinter den geschminkten Augenlidern machte sich wohltuende Dunkelheit breit. Je fester sie die Finsternis ins Visier nahm, umso bunter erschienen ihr die zahlreichen funkelnden Sterne im stechenden Kontrast. Als kleines Mädchen hatte sie diese Übung zum Träumen genutzt und sich in den Weiten des Weltalls geglaubt. Jetzt schlief sie fast genauso leicht wie früher ein und ihr tiefer Atem entließ schluchzende Geräusche. Der Hauch eines zaghaften Windes streichelte die halbverbrannten Arme und kleine feine Härchen richteten sich vorsichtig auf.

Luisa flog langsam durch die klare Luft, streckte den Körper nach allen Seiten - streifte mit größter Vorsicht ein Wolkenband und betrachtete die Merkwürdigkeiten des Lebens aus der Höhe. Sie spürte Zufriedenheit, bemerkte eine deutliche Entlastung ... weiche Farbtöne schmeichelten den Nerven. In einer Art von Reisefieber zog das junge Fräulein über die flirrenden Dächer und wirren Köpfe hinweg - weder Verdruss noch Zaghaftigkeit bremsten sie dabei. So könnte es eine Weile gehen, so zu träumen machte Mut und in Luisa tobte vergnügt wie ein kleines Kind.

Dienstag, 22. Juli 2025

AM SUND. Teil 3



Das Boot treibt ab. Alles verrutscht, kümmert sich nicht ums Gleichgewicht und schon gar nicht um das halb gefüllte Glas Rotwein. Susis Strapse reißen in der ersten Panik. Die Bettwäsche saugt sich gleichmäßig voll - fast schon in rasender Geschwindigkeit zerfällt ein verheißungsvoller Abend ins splitternde Holz der Planken. Völlig absurd erscheint dabei die nicht enden wollende Erektion von Peter - sie ist ihm bei all den verzweifelten Rettungsversuchen natürlich nicht sehr behilflich und Susi starrt fassungslos auf die strenge Härte seines Geschlechts. Aufkommende Winde necken das fast hilflos erscheinende Schiffchen, drücken es mal auf links und dann auf rechts. Feiner Nieselregen erscheint wie bestellt auf der Bildfläche, der Himmel schwärzt sich auffallend bösartig und mit den kommenden Minuten wird sich die Lage durchaus ins Dramatische verändern. Wie auf Gottes Geheiß nähern sich erste Menschen mit einer hilfsbereiten Ader und machen Susi beim Zünden einer Camel Light mutig. Peter nähert sich ihr etwas unbeholfen auf dem schlingernden Deck und packt plötzlich in die stämmigen Hüften seines kleinen Lieblings. Susi kokettiert mit dieser unmissverständlichen Geste und bewegt aufreizend ihren grandiosen Hintern. Beide stehen bereits bis zu den Knien im einströmenden Wasser, beide vergessen für die nächsten drei Minuten alle Welt um sich herum, jegliches Kriegsgeschehen, jegliche Hungersnot und die allgemeinen Schmerzen des Planeten. Alles geht sehr schnell und die Liebe zeigt sich von einer unerbittlichen Weise, geht gnadenlos in die Tiefe und erhebt schließlich ihre heilige Stimme zum Himmel. Das Boot geht unter. Susi und Peter hocken zitternd in einem alten Kutter bei Fischer Lars. Der nimmt Heringe aus und schleudert die Innereien den Möwen in ihre aufgerissenen Schnäbel. Dabei schielt er unter aller größten Anstrengungen der Susi auf ihre wirklich sehr großen Brüste. So viel muss erlaubt sein. Peter ist unter Deck und schläft sich glücklich in eine Operette aus verschiedensten Träumen. Der Hafen ist noch weit und das Leben mitunter kurz. Jede einzelne Sekunde sollte genutzt werden. Für alles erdenklich Gute!

Montag, 21. Juli 2025

AM SUND. Teil 2



Peter war Taucher. Ein Tiefsee-Spezialisten-Extrem-Taucher. Und Höhen-Kletterer. Er hat 1982 und 1989 den Pariser Eiffelturm alleinig mit Rostschutzmittel ausgebessert. Letzte Nacht erzählte er mir von zusätzlichen Fähigkeiten - wie die jährliche Teilnahme am Einarm-Segeln vor Hawaii oder von der Operation „Kunststoff“ in Casablanca. Letzteres strengstens GEHEIM und unter Androhung der Todesstrafe - falls er jemals ein Sterbenswörtchen darüber verlieren würde. Nur seiner Mutter hat er davon am Totenbett berichtet - und eben jetzt die staubtrockene Beichte unter dem Einfluss einer noch gut gefüllten Flasche Chantré. Hier nun davon zu berichten, käme auch meinem Todesurteil gleich. Es geht um Macht, Geld und Einfluss. Peter war das unsichtbare Bindeglied einer schier unendlichen Meldekette für die unterschiedlichsten Geheimdienste. Wirtschaftsspionage, Waffenhandel, Geldwäsche ... das ganze Portfolio für eine funktionierende Unterwelt. Peter ... immer wieder Peter ... fast schon altklug präsentiert er mir eine atemberaubende Geschichte nach der anderen! Seemannsgarn am Sund! Die frisch gestopfte Pfeife wippt kunstvoll in seiner rechten Hand, beide Augen zusammengekniffen und funkelnd vor Begierde. Seine Fantasie tanzt auf nassen Planken und alles was er sagt ist ein ausdauernder Abrieb von gedanklicher Wulst. Kein einziges Wort darf man ihm jetzt glauben, keinen Pfennig ist sein Geschwätz mehr wert. Hier am Sund, am Leckmaul des Meeres und zwischen dem schrillen Gebell dreister frecher Möwen kann der gute Peter nur noch irrsinnigen Matsch anrühren. Mir fehlen die Worte in diesem Labyrinth der Prahlerei!

Sonntag, 20. Juli 2025

AM SUND. Teil 1



Am Wasser ergibt sich wie selbstverständlich eine Ebene. Lineare Schlichtheit, gleichförmige Fläche oder einfach nur oberflächliche Stille. Ein Vierer mit Steuermann nutzt diese Klarheit. Hier am Sund lösen sich alle Details in Luft auf. Zwangsläufig endet jeder noch so wichtige Weg ... selbst wenn er sich über einen Anleger noch einmal wichtig zu machen versucht. Ein Gleitschirm mit Motor zerbricht kurzweilig die Dichte der Ruhe. Von dort oben lässt es sich gut auf alles andere pfeifen. Es gehörte schon immer etwas Mut dazu. Größtmöglicher Abstand zum Irdischen erhöht das Risiko für vollendete Tatsachen oder endgültige Urteile. Mit dem Daumen spiele ich die maximale Boshaftigkeit von Stiefvater Schicksal aus und zerquetsche die quirlige Ameise neben mir. Das schreibe ich etwas verschämt.

Zurück zur See: Leise wellt sich ihre Haut. Zaghaft streichelt sie das karge Ufer. Weitaus stürmischer kippe ich mir das Bier aus der Dose in den weit aufgerissenen Schlund. Feuerrotes Himmelreich schwärmt von Gott und Unendlichkeit. Jetzt bin ich kurz davor, einmal wieder darauf hereinzufallen. In all meiner Naivität suche ich für jede Fragestellung die kürzeste Antwort. Fast schon vorwurfsvoll nimmt sich dazu die Häme der Lachmöwen aus. Eine Schrotflinte habe ich wie immer nur in meiner Fantasie zur Hand. Hin und wieder genügt das zur Linderung kleinster Blessuren. Und dann ist das Leben wieder schön. Wie die neugierige Schwanenmutter mit ihren zwei Jungen ... die lassen sich auch nicht so einfach mit einem Daumendruck zerquetschen. Wissen sie was ich meine?

Jedenfalls ergeben sich eine Menge Gedanken am scheinheiligem Sund. Hier in der Bucht verfangen sich die Verstrickungen und entblößen ihre Herrlichkeit. Eine Gitarre winselt vom anderen Ufer herüber - schiebt sich aufdringlich in allerlei Wirres und fordert meine Geduld heraus. Reiflich überlegte Gnade walten lassen gelingt in friedlichen Umgebungen mal mehr mal weniger gut. Ein innerer Frieden möchte ungestört bleiben. Das Wasser vor mir geht in die Tiefe und kümmert sich um keinerlei Belange. Eine solche Souveränität gehört verdammt oder besungen zu werden. Vielleicht ist das ja auch die Intention des Spielers mit seinem Instrument? Für die Beantwortung dieser Frage fühle ich mich augenblicklich nicht mehr zuständig.

Die Schrotflinte muss her.

Freitag, 11. Juli 2025

DER MANN INTERESSIERT MICH!



Der Mann interessiert mich. Die hohe Stirn wirkt wie die ausladende Dünung einer dieser dämonischen Wüsten und endet erst auf der Rückseite eines verbeulten Schädels - beide weit heraus getretenen Augäpfel trennen geradezu Welten und zwischen dieser immensen Fläche wächst ihm dann dieser zertrümmerte Riecher bis zum struppig grauem Oberlippenbart. Alles an diesem verschobenen schiefen Gesicht erinnert an die Neandertaler und mag arglose Kinder durchaus mit einem grausamen Schrecken zu verstören.

Mein Verdacht fällt wie ein schweres Schwert auf diese fragwürdige Person. Unter blassen langen Fingernägeln trocknet noch das Blut - geronnen von der Zeit die nichts verzeihen wird. Hier liegt etwas im Argen. Unter der Lupe meiner Aufmerksamkeit vergrößern sich grausame Indizien. Noch quert ein letzter Schrei die stille Kreuzung am alten Garnwerk. Hinter fürchterlichen Wolken walkt der kahle Mond über die Mauern einer stummen Stadt. Unter meinem schweren Mantelwerk hebt sich ein untrügliches Misstrauen gegen diesen Mann.

Vertrackt erscheint die Enge meiner Beweislage - alles spricht für eine unmittelbar bevorstehende Festnahme! Zigaretten wippen in meinem Mundwinkel wie Staffelstäbe auf Spartakiaden. Zugriff unter geschicktem Vorwand oder direkte Konfrontation mit heißen Läufen und brennenden Bohnen? Der Richter wäscht seine Robe bei milden Temperaturen, sein Urteil wird weitaus härter ausfallen. Auf leisen Sohlen dem Täter an den Fersen. Mein Blick gleicht dem des Tigers. Es gibt kein Entrinnen für die Beute meiner fieberhaften Ermittlungen.

Wie dem auch sei ... lange Rede und kurzer Sinn ... die Spur verlief im Sand, das Objekt meiner kriminalistischen Begierde löste sich im Nebel der untreuen Stadt einfach so auf! Die Steifheit des Mantelkragens ist machtlos gegen die Wut meines Stiernackens, Zentimeter fehlten, Sekunden nur ... Glastüren schepperten in ihren Angeln als ich die Nachricht meines Misserfolges an meinen Vorgesetzten übermittelt hatte. Im kleinsten Detail lösen sich die winzigen Elemente wie das Brausepulver im Wasserglas. Mit zitternder Faust hieb ich auf das unschuldige Schwarz des massiven Schreibtisches.

Der Mann läuft frei herum. Seine Eier pendeln in den Kloschüsseln der Hotels und an den Bars werden die teuersten Schnäpse aus beleuchteten Regalen gezogen. Feinste Dirnen streicheln bewundernd seinen behaarten Rücken während meine Schritte unentwegt einen Kreis beschreiben. So nah am Olymp, so dicht kurz vor dem Abgrund ... wie gelähmt verharren Gesichtszüge in einer Art Wartestellung. Mir schlafen die Hände, wie gefesselt scheinen die Gelenke in einer Form von gnadenloser Verurteilung zu erstarren. Meine gesamten Ermittlungen weg gerotzt zwischen die Fugen der Gehwege.

Die kommissarische Leitung des Falls liegt nun im Geschick eines frisch studierten Milchgesichtes. Er erscheint mir auf kühle Weise souverän und zielstrebig. Rote Hefter liegen aufgestapelt und mit grauer Asche bestreut in den flirrenden Gängen der Zentrale. Hin und wieder klappern Stöckelschuhe geschwungener Ärsche zu den Büros der Bosse. Am Pissoir stütze ich meinen niedergeschlagenen Körper mit der Rechten und atme tief den stechenden Geruch des Klosteins. Mein Würgen geht im Gebrüll des Fortschritts unter.

Gebrochen und zertreten - das letzte Aufleuchten von zaghafter Glut erloschen unter dem immensen Druck eines Stauwerkes. Weggespült die letzten Hoffnungen, erblasst das Vertrauen in meine Arbeit ... Mir blieb nur der stoische Griff nach dem Lauf des Gewehres! Eine erste feurige Salve groben Korns strich über den gewienerten Tresen und erwischte den Barkeeper seitlich am Kopf. Sein rechtes Ohr fehlte plötzlich. Kurz darauf flog der Verdächtige vom Hocker. Der Druckwelle und dem geladenen Material sei Dank, das dies ein äußerst spektakulärer Abgang wurde.

Dienstag, 8. Juli 2025

THE WOLF.



Wir hatten gestern Nacht einen bekliarisischen Grauwolf zu Besuch! Der eitle Mond erlaubte sich zuzunehmen und unseren Garten mit einem bleiernen Licht zu streicheln - da sahen wir ihn, so anmutig und grimmig, Furcht erregend, sagenumwobenes struppiges Wesen mit grandios geschliffenen Zähnen!

Er machte sich an unserem Geräteschuppen zu schaffen, entschlüsselte die Funktionalität des HÖRMANN-Griffs und kramte zwischen Rädern, Werkzeug, Spaten, leeren Kartonagen - ruckelte an einem vollständig entleertem Bierkasten, warf den verrosteten Wäscheständer um und zerrte letztlich an einem bunt gestreiftem Liegestuhl.

Da saß er dann seit einer Stunde breitbeinig und bequem eingerichtet in unserem Hof, pulte sich Fleischreste aus dem blinkenden Gebiss, rieb sich unverhohlen am Geschlecht, spreizte seine Pfoten, leckte sich ein ums andere Mal das sabbernde Maul und unterdrückte die ersten Anzeichen eines aufkommenden Keuchhustens.

Wir lauerten wie gebannt hinter der Gardine: ein echter bekliarisischer Grauwolf - vollkommen ausgewachsen - fast schon betagt, obszönes Grinsen um die Schnauze herum, selbstherrlich und unverschämt frech in seinem Verhalten! Lümmelte in unserem Garten-Mobilar, scherte sich einen Dreck um fremdes Eigentum oder gar mögliche Gefahren. Ein durchaus seltenes Exemplar tierischer Dreistigkeit.

In der Glasvitrine stand noch immer Ur-Großvaters CARCANO Gewehr, griffbereit, geladen und verlockend. Das Ding galt nicht eben als treffsicher und die Frage war immer schon: Zielen oder nicht? In beiden Fällen war jeweils das Gegenteil zu erwarten ... Also schossen wir sicherheitshalber auf den neunmalklugen Mond. Wie das donnerte und hallte! Unseren Ohren blieb für den Augenblick nur das Rauschen aus hundert Meeren.

Der Graue flog aus seiner bequemen Lage, kullerte schreckhaft über das frisch angelegte Beet der Blumen, duckte sich ängstlich und zitterte am ganzen Leib. Das tat uns wiederum furchtbar leid! Wir holten Bio-Rindergulasch aus dem Kühlschrank, gut und gern 800 Gramm von liebevoll gehaltenem Vieh. Das warfen wir dem Bekliarisischem als Wiedergutmachung zu. Leider viel dem Armen dabei alles auf den Kopf oder zwischen das Fell seines Rückens ...

Wirbelnd, sich ständig drehend verbiss sich das bedauernswerte Tier an seinem eigenen Leib, riss das rötliche Gulasch aus dem grauen Haar und spuckte ständig Filzbatzen aus. Die Nacht bediente dieses Szenario mit milder Stille, erleichterte die wilden Instinkte mit einer Art Schutzfunktion und entließ das satte Ungetüm schließlich im dunklen Nichts der Schatten werfenden Hügel. Wir konnten nicht mehr einschlafen.

Samstag, 5. Juli 2025

DER VORWURF.



Peter konnte es schließlich einfach nicht mehr hören! Ein schrilles Läuten vibrierte in seinem Kopf. Also verlegte er seine auf Abwehr geübte Taktik in Richtung Hörigkeit und Harmonie. Jetzt kam es nur noch darauf an, diese Veränderung glaubhaft zu zementieren. Es war sein letzter Köder, sein einzig verbliebener Schuss im Revolver. Birgit war in heftig in Rage.

Peter gehörte zu der Sorte von Mann, welche flexibel auf äußere Einflüsse reagieren konnte. Scheinbar reich an Verlusten aber mit sich selbst im Reinen. Eine absehbare Eskalation beinhaltet immer auch den vorbereiteten Fluchtweg. Am Ende des Tages sprang vor allem eines für ihn daraus: Ruhe. Wenn auch selten der schnelle Frieden. Birgit konnte ewig nachtragend sein.

Peter setzte seinen demütigen Blick auf und stotterte eine kindlich wirkende Entschuldigung zusammen. Das funktionierte zunächst nicht - es fehlten noch frisch gepresste Tränen der Reue. Dafür steigerte er sich extra in den frühen Tod seiner Mutter hinein. Die Funktionalität der Prozesse hatten eine gewisse Reibungslosigkeit. Birgit ging geradewegs in die Falle.

Peter konnte sich schon am frühen Abend den ersten Schnaps genehmigen. Wie das brannte! Jetzt entspannte sich auch endlich die Muskulatur. Er hockte in einer Art Kammer über einem Stapel alter Sex-Hefte und träumte sich in das Rekeln der Leiber hinein. Zwei Afrikaner und eine Blondine sorgten für schöne Kontraste. Birgit lag auf der Couch und träumte von Richard Gere.

Peter ging um kurz nach null Uhr ins Bett. Ein riesiger weißer Hintern reckte sich ihm entgegen. Vorsichtig legte er eine Hand auf den heißen Hügel und spürte eine sichere Verbindung. Die schmale Sichel des Mondes spielte Verstecken mit lauter durcheinander fliegendem Gewölk. Die Wanduhr aus dem Wohnzimmer tickte gut hörbar herüber. Birgit begann sehr laut zu schnarchen.