Tagebuch eines Verrückten/Schlafversuche mit dem Alphabet
Freitag, 20. Juni 2025
A-Z
Donnerstag, 19. Juni 2025
REZEPT.
Amberdepp & Johnnyheard
Sonntag, 15. Juni 2025
ZU BERLIN!
Der Wind nimmt sich selbstherrlich aus den Segeln und schwächt seinen Eindruck indem er lapidar vor sich hin faucht. Ein alter Seemann zählt die tätowierten Striche seiner verschwendeten Weiber von Rotterdam bis Kalkutta - nur noch schlaff baumelt einstiger Prunk zwischen den lahmen Schenkeln. Die Planken morsch, das Steuerrad gebrochen, Bullaugen blind und in der Koje keine Restwärme mehr. Vom Leben bleibt nichts als trübe Gedanken und Schmerzen am ganzen Körper. Der Schnaps hängt in den Mundwinkeln wie die Traurigkeit in seinen Tränensäcken. Das kommt nicht vom Kummer. Es ist die Vergangenheit und der leere Blick ins Nichts. Offenen Auges in die Nässe der Schwermut. Auf seinem geducktem Haupt streifen vereinzelt Haare herum. Salz und Sand klemmt in den gebogenen Falten der Haut. Eine einzelne Schuppe klebt wie zufällig unter der Nase und glänzt eitel der Sonne entgegen.
Mittwoch, 11. Juni 2025
TOT.
Erst einmal stelle ich mich einfach tot. Still und starr ruht der See. Das Eis hält dem Druck einigermaßen stand. Fürs erste bin ich in Sicherheit. So nehmen die Dinge ihren üblichen Verlauf. Mir fällt einfach nichts mehr ein. Lustlos und schlaff die Körperhaltung, leerer Blick, kraftloser Herzschlag und so weiter und so fort. Der Arzt meinte vorgestern: „Sie müssen sich finden! Lassen sie sich dabei aber alle Zeit der Welt, manche Suche erfordert außergewöhnliche Funde - und die gibt es nicht im Überfluss!“ Diesen Satz habe ich nicht verstanden - aber wissend und belehrt dazu genickt. Jeder gut gemeinte Ratschlag pinselt zunächst meine Egozentrik mit einer verdünnten Lasur. Vielleicht hält der Anstrich?
Samstag, 7. Juni 2025
SCHWERE SEE
Und schließlich umfasste meine Hand den dornigen Zweig und ballte damit eine gewaltige Faust. Umverteilung des Schmerzes, rein intuitiv wie auch vorausschauend. Die kommende Woche hielt Lähmungen parat, Starre, Steifheit sowie Verrenkungen ohne einen erkennbaren Sinn. Die Abläufe der wellenartigen Schläge könnten allmählich für Irritationen sorgen. Es gibt auch keinen Plan C oder Y. Das gesamte Alphabet der Möglichkeiten ist komplett belegt. Wie durfte ich mir das also vorstellen? Frisch kochendes Wasser in mich hineinstürzen - andere Aussichten verbaut von Stahlbeton. Überhaupt: was lag mir in diesem Moment näher als der Fausthieb aus reiner Verzweiflung? Ein geladenes Gewehr war weit und breit nicht mehr aufzutreiben. Im Schrank hockte der nächste Schock: das sag ich nicht. In der zappligen Seele stießen sich die Automatismen gegenseitig auf vierspurige Straßen. Mitten im Fallen verzögerte ein tröstender Regen seine eigentlichen Absichten und zog sich erschrocken zurück. Dafür quollen aus der Erde lauter Knochen von all den längst vergessenen Menschenkindern. In meiner größten Not schüttete ich eine ganze Handvoll unförmiger Tabletten zwischen die aufgerissenen Lippen und begann an meiner eigenen Tragik zu kauen. Ein Engel mit dem Duft des Weißen Riesen und in der durchsichtigen Kluft einer Dirne - was sollte mit ihm sein? Verworfen die Sehnsucht nach dem Heiland. Jetzt kam es darauf an, wer als erstes dem Tod von der Schippe springt. Mein kleines dummes Herz zögerte ein ums andere Mal, zierte sich ziemlich sinnlos und gehorchte keiner inneren Stimme. Das Leiden ließ sich nicht ewig hinauszögern. In meiner allgemeinen Trauer aus lauter schwarzen schweren Vorhängen, klaffte ein riesiges Loch und ließ nach und nach immer mehr Licht ins Dunkel. Hoffnung machte sich gutmütig breit.
Mittwoch, 4. Juni 2025
YOU.
Du haderst mit all den Jahren. Du verzweifelst mit jedem Schritt. Du warst gestern schon wieder böse. Du stellst dich immer in den Mittelpunkt. Du genießt das Leben ohne es zu bemerken. Du verstellst dich andauernd. Du hast die ganze Nacht erbrochen. Du grüßt niemanden zurück. Du strauchelst durch den Tag. Du benimmst dich daneben. Du hetzt über andere. Du vergibst keinem seine Schuld. Du badest viel zu lange. Du trittst auf der Stelle. Du liest schlechte Nachrichten und isst dabei. Du schimpfst über jeden Fehler. Du drängelst an der Kasse. Du bist oft nervös. Du erträgst keine Kritik. Du regst dich zu schnell auf. Du nimmst dir ständig etwas vor. Du wartest auf das Wochenende. Du isst zu süß und viel zu fett. Du stellst anderen ein Bein. Du bist ungerecht. Du jammerst tagein und tagaus. Du hast dich hoch gearbeitet. Du lauerst auf Gelegenheiten. Du liest die falschen Bücher. Du entschuldigst dich nur ungern. Du schlägst öfter über die Stränge. Du machst dich lustig über andere. Du neidest und gibst es nicht zu. Du maßt Dir Dinge an. Du schimpfst auf die Politik. Du fängst nie bei dir selbst an. Du redest über das Wetter. Du fährst zu schnell. Du onanierst zu oft. Du trinkst den Kaffee zu stark. Du hörst selten auf deine innere Stimme. Du achtest selten auf deine Mitmenschen. Du schlägst mit den Türen. Du kaufst zu billig. Du möchtest gern der Erste sein. Du lügst wie gedruckt. Du änderst deine Meinung. Du bist behäbig. Du kennst keine Gnade. Du hast Angst vor Krebs. Du schreist zu viel. Du lachst an den falschen Stellen. Du gehst nur Geradeaus. Du drehst durch. Du willst nicht mehr reden. Du kennst kein Mitleid. Du gibst nichts ab. Du findest keine Worte. Du siehst an allem vorbei. Du fällst. Du Dummerchen. Du Mensch.
Sonntag, 1. Juni 2025
MY WAY.
Der Weg in den Wald verbirgt die Schwere meiner Schritte. Von den Wipfeln der Bäume krümmt sich der Druck dieser Zeit. Schief und krumm vor lauter Freiheit - die Hecken am Rand merken sich jeden Strahl der Sonne. Die Vögel mögen ihre Scheu nicht verbergen, sammeln und entfernen sich voneinander - der dümmliche Mensch sieht darin keinen Sinn. Natur hat eine komplizierte Sprache ... sie sprengt den Rahmen dessen was sich Vorstellungskraft nennen mag.
Freitag, 30. Mai 2025
Der letzte Zirkus.
All die großartigen Artisten sind im Laufe der Zeit reichlich fett geworden. Obwohl die Kasse leer ist. Vier Kamele pellen sich aus ihrem vergammelten Fell. Am angerosteten Einrad fehlen Speichen. Das riesige Zelt hängt seltsam schlaff. So abgehackt wie hier die Aufzählung - so unstet das Leben auf der Abschiedstournee. Matschiger Rasen trifft verblichenes Konfetti. Übergroße Lutscher verkaufen sich nicht mehr. Die brüchigen Ränge sind nur zu einem Viertel besetzt. Immer Omas mit ihrem Enkel. Alles Einzelkinder mit Funktelefonen im Anschlag. Einige der Gäste gähnen oder schlafen gar. Der Blick auf die Uhr - schon ungehemmt auffällig. Die Show ein einziger Jammer. Keine Klicks auf digitalen Plattformen. Höchstens es fällt jetzt einer von der hohen Kuppel. Der Clown weint in echt. Zwei ehemals weiße Pudel hinken durch einen silbernen Ring. Wow. Der Geruch von Bratwurst belegt die Szenerie wie eine Falschmeldung. Nur die Zuckerwatte reißt alles raus. Sie klebt wie gewohnt an kleinen Fingern. Die ganz großen Patrioten des Dorfes stechen am Abend die Reifen platt. Mit Messern aus dem Military-Geschäft. Jetzt kommt der Fuhrpark nicht mehr weg. Auch das noch. Dem Kummer nicht entkommen können. Die Süße der Finsternis schlängelt ihren mageren Körper durch die schweigende Wagenburg. Die Polizei weiß Bescheid. Es hilft nichts. Nichts hilft.
Mittwoch, 28. Mai 2025
LINIEN.
Die Gerade ist ein linearer Strich. Auf ihr ruhen die Irrtümer. Stringent zieht sich das so hin. Unendlichkeit in beide Richtungen - die Enden für immer und auch für ewig entzweit. So einfach und deutlich. Unabhängig davon dürfte es sich dabei auch immer um eine Grenze handeln. Rechts und links davon, oben und unten, zwei Hälften voneinander getrennt. Die Linie ist ein äußerst schlichtes Ereignis, grafisch rein, geometrisch immer nachvollziehbar.
Samstag, 24. Mai 2025
FREITAGABENDE.
Freitagabende sind im klassischen Sinn großartige Befreiungsschläge. Es regnet duftende Rosen. In der Pfanne brät etwas vor sich hin. Ein altes und immer wieder gern getragenes Shirt kleidet mich wie ein lieb gewonnener Freund. Der Endverstärker läuft bereits warm, aus den schweren Boxen ist schon gutmütiges warmes Gebrumme zu vernehmen. Gleich gibt es Musik! Da kratze ich mir doch das narbige Kinn und sehe in den Spiegel: Mutation zum Künstler und Genießer - kurz vor dem Abschluss. Peter wird noch rumkommen, Alt 68er und friedlicher Gelegenheitstrinker. Im Doppelkorn schwimmt das Große und Ganze. Peter hört sich immer alles an, findet jedes Lied gut. Ein kleiner Stapel Musikkassetten und CDs, dazu hübsches Vinyl für den Plattenteller - liegt bereit - kommet und höret wie freundlich der Herr ist! Freitagabends küssen coole Monde die wartende Sonne - der kirre Moment sitzt in einem goldenen Cockpit und macht sich auf den Weg zu den Sternen.
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In die aller größte Stille hinein, ins unbegreiflich Stumme, scheinbar ohne jegliche Bewegung und letztlich wie vakuumverpackt ... lärmt ein...
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Er knirschte plötzlich mit den Zähnen. Sie lag noch lange danach wach. Die einzigen Geräusche im Haus bestanden aus dem ungleichmäßigen Brum...
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Mit zusammengekniffenen Augen schielt der einsame Mann in den grellen Vollmond, inhaliert gekonnt den Rauch der starken Zigarette und denkt ...